top of page

eva michielin

the art of transformation

            Wir können unsere Welt nicht heilen, wenn wir uns selbst nicht heilen  –  Stellt euch vor, wie viel Kreativität, Lebendigkeit und Schaffenskraft entstünde.

Unsere Welt ist im Stress. Viele von uns spüren es, als individuellen Druck, aber auch als kollektive Anspannung. Die menschliche Geschichte der vergangenen Jahrtausende hat zu einem Verlust der Verbundenheit zu uns selbst, unserer Welt, jedem Tier, jeder Pflanze, jedem Ding und jedem Menschen geführt. Dieser Verlust an Verbundenheit befördert Stressgefühle und mündet in Krieg, Gewalt und Hass – oder wird mit mehr Arbeit, Konsum und Ablenkung betäubt.

Gelänge es uns Menschen, erneut Verbundenheit aufzubauen, wieder ein Gefühl der Zusammengehörigkeit miteinander und allen Wesen dieser Welt zu erlangen, könnte die Welt von ganz allein heilen.


Meine Arbeit ist ein kleiner Beitrag zu dieser Heilung. Ich arbeite für und mit Überlebenden sexuellen Missbrauchs und sexualisierter Gewalt, da ich selbst als Betroffene hier eine starke Verbundenheit spüre und diese als kraftgebende Grundlage zur Heilung mit anderen teilen möchte.

Parallax1.jpg

Interview.

Wie bist du zur Kunst gekommen?

Als Kind bin ich eigentlich den halben Tag in „den Farben gesessen“, ich war begeistert von ihrer Kraft und habe ein Bild nach dem anderen gemacht. Das verblasste dann durch meine Kindheitserlebnisse, bis ich als Erwachsene mein altes Ich wieder freilegen konnte.

Was bedeutet Kunst für dich? Welche Aufgaben hat Kunst?

Kunst ist für mich die stärkte Form des Ausdrucks, den ich habe. Sie bedeutet für mich Kommunikation. Ihre Aufgabe besteht für mich darin, dass mit ihr die Welt ein kleines bisschen besser wird.

Wie arbeitest du? Welche Materialien verwendest du? Und warum?

Ich streune durch die Natur und mache Fotos. Die Strukturen von Bäumen und Steinen drucke ich auf große Leinwände. Darauf arbeite ich weiter, meist mit meinem Körper – auf jeden Fall ohne Pinsel, Spachtel, Kelle oder sonstige Malhilfen.

Wie entsteht ein Kunstwerk? Woher kommt die Idee?

Sie entsteht in meiner Seele. Häufig bin ich jahrelang damit „schwanger“, bevor die Idee geboren wird. Meine Bildideen sind dann MUSTS: ich muss sie machen! Ich kann nicht anders, sie müssen dann raus.

Woher nimmst du die Motive für die Fotografien?

Beinahe ausschließlich aus der Natur. Besonders Baumrinden und Steinformationen haben es mir angetan, neuerdings aber auch Wasser. Mich begeistert die Schönheit der natürlichen Strukturen, ihre Feinheiten, ihre Wildheit, die Perfektion der Farbabstimmung, die Harmonie in den Elementen. Manchmal schaffe ich es gar nicht, meinem gedruckten Bild noch etwas hinzuzufügen, weil es so perfekt und so schön ist.

Wie lange brauchst du für ein Kunstwerk?

Manchmal Jahre – mit Pausen, weil es noch in mir arbeitet. Neulich habe ich ein Bild in einem Tag in seinen groben Zügen fertiggehabt, allerdings über zwei Jahre daran „gehirnt“.

Parallax2.jpg

Gibt es eine Art Philosophie, der du folgst?

Ich weiß nicht, ob es eine Philosophie ist, aber ich versuche in meinen Arbeiten eine starke Verbindung zur Natur einzubringen. Ich möchte am liebsten mit ihr verschmelzen, mit ihr eins werden. Es ist ein starker Wunsch nach Verbundenheit, der mich leitet.

Welche Themen behandelst du in deinen Kunstwerken?

Starke Frauen, schöne Frauen, wunderbare Frauen, Baumfrauen, Wasserfrauen… alles aus einem Kontext der Heilung heraus, des Hinauswachsens über erfahrenes Leid.

Wieso behandelst du diese Themen?

Schätzungen zu Folge erlebt etwa jedes drittes Mädchen und jeder fünfte Junge auf der Welt Missbrauch. Das ist unerträglich und muss sich ändern. Mit meiner Kunst mache ich genau darauf aufmerksam und setze so ein Zeichen. Ich leiste damit einen Beitrag zur Sichtbarkeit dieses so oft verborgenen Leids und hoffentlich zu dessen Linderung.

Wie entscheidend ist die Biografie für die Werke?

Sie ist alles, denn auch ich bin eine Überlebende.

Was möchtest du mit Kunst erreichen?

Ich möchte die Menschen jenseits von trockenen Statistiken für das Thema sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt sensibilisieren. Denn es ist nichts Abstraktes, sondern der Nachbar im Haus nebenan oder die Kollegin im Büro, die es betrifft. Nur wenn wir hinsehen, wird sich etwas ändern.

Wo siehst du dich in zehn Jahren?

Ich werde meine Body Voices-Arbeit in zehn Ländern der Welt wiederholt haben und mit meiner Arbeit tausende von Menschen berührt haben. Ich möchte den Überlebenden Mut und Hoffnung bringen und sie dabei begleiten, aus Angst und Scham zurück ins Licht zu treten.

bottom of page